Der folgende Artikel stand so in der
Jubiläumsschrift zum 10-jährigen Bestehen der
Interessengemeinschaft Historische Landmaschinen Wetterau/Main-Kinzig e.V. (IGHL)

Vielen Dank an Herrn Brodt für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung!

Historisches Dampfpflügen

Von Georg H. Brodt, Vorstandsvorsitzender der (IGHL)

Im Jahre 1837 wurde erstmals ein Dampfpflug als Kettenfahrzeug erfolgreich eingesetzt. Damit begann die Motorisierung auf dem Acker. Die Pioniere auf diesem Gebiet waren Engländer, allen voran John Fowler (1826-1864). Von ihrer Bedeutung her kann die Umsetzung der Dampfkraft in mechanische Arbeit in der Landwirtschaft nur mit der Einführung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert verglichen werden.

Während zunächst mit nur einer Lokomobile im sogenannten Rund-um-System experimentiert wurde - hierbei lief das bis zu 800 Meter lange Seil zum Ziehen des Pfluges über Umlenkrollen, die am Ende des Ackers verankert waren -, war es die Firma Fowler aus Leeds, die im Jahre 1858 das von ihr entwickelte Zweimaschinensystem in England erstmals vorstellte.

In Deutschland war es der schwäbische Ingenieur und ,,Vater der Landtechnik”; Max Eyth (1836-1906), der dem Dampfpflug zum Durchbruch verhalf. Seine Erfahrungen sammelte er bei der Firma Fowler zunächst als Fertigungs- und später als Einsatzingenieur in ganz Europa und dem Nahen Osten. Hierzulande erfolgte der erste Einsatz 1863 in Blumenberg bei Wanzleben auf einer preußischen Domäne.

Das auf unserem Jubiläumsfest eingesetzte Dampfpfluggespann des Agrarbildungszentrums Landshut-Schönbrunn ist, neben dem des Deutschen Landwirtschaftsmuseums Hohenheim, das einzige noch funktionsfähige im deutschsprachigen Raum. Es wurde 1928 von der Firma A. Heucke in Gatersleben bei Magdeburg, die in Deutschland über die längste Erfahrung als Hersteller von Dampfpflügen verfügte, gebaut und kostete seinerzeit 115000 Reichsmark, was dem Preis von 9200 Zentnern Weizen entsprach. 1917 übrigens lag der Anschaffungswert einer kompletten Garnitur zwischen 40000 und 60000 Goldmark, dem damaligen Wert eines mittleren Bauernhofs. (Heute dürfte ein ,,Sammlerwert von 800000 DM realistisch sein.)

Bis 1965 arbeitete das Gespann für die traditionsreiche, im Jahre 1910 gegründete ,,Bayerische Dampfpfluggenossenschaft Regensburg, bis es 1966 in das Eigentum des Bezirks Niederbayern überging. Zuvor war es Jahrzehnte auf dem tiefgründigen Gäuboden zwischen Regensburg und Plattling im Einsatz.

Die technischen Daten der Geräte sind beeindruckend: Jede der beiden selbstfahrenden Lokomobile, die die Dampfkraft auf die an der Unterseite befindliche Seilwinde überträgt, ist 3,60 Meter hoch, 2,50 Meter breit und über acht Meter lang. Sie wiegen mit einer Wasserfüllung von 3000 Litern jeweils 23 Tonnen und leisteten ursprünglich 280 PS bei 18 bar Betriebsdruck. Aus Sicherheitsgründen wurde der Druck auf 14 bar herabgesetzt, was jetzt immerhin noch einer Leistung von 220 PS entspricht. Die Seillänge beträgt 300 Meter (früher 550 Meter) bei 20 mm Seilstärke. Der zweimal 5-scharige Kipp- oder Balancierpflug, der zwischen den Dampfmaschinen hin und her gezogen wird, ist 12 Meter lang und hat ein Gewicht von etwa 5 Tonnen. Die Lokomobile bewegen sich jeweils um die Breite des gepflügten Ackerstückes nach vorn. Stündlich verbraucht das Gespann 140 Kilo Kohle und ca. 800 Liter Wasser. Der komplette Dampfpflugsatz bestand gewöhnlich aus zwei dieser Lokomobilen, zwei Wagen für Wasser und Kohle, einem Pflug, einer Egge und einem Wohn- und Kochwagen für die fünf- bis achtköpfige Mannschaft sowie Werkzeuge und Vorrichtungen für Reparaturen. Der Arbeitstag konnte bis zu 16 Stunden lang sein, begann in der Regel um 4 Uhr morgens und reichte manchmal bis um Mitternacht, auch an Wochenenden. Der Sonntagvormittag wurde für die Reinigung der Kessel und für kleine Reparaturarbeiten genutzt.

Anfang der 80er Jahre waren es die Männer um Karl Stangl † aus Volkmannsdorferau bei Moosburg, die mit Unterstützung des Eigentümers, dem Agrarbildungszentrum der Lehranstalt Schönbrunn, die im Freien stehenden und völlig verwahrlosten Maschinen gegen manchen Spott aus der Bevölkerung, wie der Initiator dem Verfasser vor Jahren zu berichten wußte, reaktivierten.

1982 wurde der komplette Dampfpflugsatz vom TÜV freigegeben. Mehrere tausend Arbeitsstunden, viel Geld und hohes technisches Können waren notwendig, bis die beiden Lokomobile und der Pflug in ihren heutigen Zustand gebracht wurden. Wenn man so will, auch eine beachtliche Pionierleistung!

 

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